Sie sei eine „Kuhkuschelkraft“, so lautet die Selbstbezeichnung der Autorin eines im Piper-Verlag erschienenen Sachbuchs mit dem Titel „Erstmal für immer. Vom Hörsaal in den Kuhstall“.
In ihrem 2022 erschienenen Buch geht es vordergründig um ihr Leben auf einem Hof in Mörtschach im Kärntner Mölltal. Eigentlich hatte Madeleine Becker nur einen Urlaub auf dem Hof samt dazugehörigem Campingplatz geplant. Doch bereits beim ersten Besuch wird die Autorin von einem Gefühl, „endlich angekommen zu sein“, überrascht. Nach vielen weiteren Besuchen und einem Sommerpraktikum auf dem Milchbetrieb später verliebt sie sich nicht nur Hals über Kopf in die Tiere und die Arbeit zwischen Melkmaschine, Heuernte und Hühnerstall, sondern auch in ihren heutigen Partner Lukas. Seit 2019 lebt und arbeitet das Paar nun „zwischen Bauernhofidylle und der harten Realität eines traditionellen Kleinbetriebs“ zusammen. Nebenbei unterhält Madeleine ihre stetig wachsende Followerschaft mit Fotos und Geschichten vom Hof.
Tierwohl, Romantik und Aufklärung
Die Autorin inspiriert mit ihren Beobachtungen und Beschreibungen dazu, das Leben und das Hofleben im Besonderen nicht einfach an sich vorbeiziehen zu lassen, sondern weist mit gekonnter Formulierung auf die kleinen Freuden und Schönheiten des Alltags und im Umgang mit Tieren hin. Mit Humor, Ehrlichkeit und auch einer gewissen städtischen Naivität bringt sie einen Blick auf landwirtschaftliche Abläufe und Tierhaltung, der Selbstverständliches infrage stellt und Mut macht, den eigenen Weg zu gehen. Dabei reiht sich Becker im aktuellen Zeitgeist der jüngeren Generationen, dem Wunsch nach mehr Tierwohl, ein. An manchen Stellen des Buches wird erfahrenen Agrariern die eine oder andere Erklärung womöglich überflüssig erscheinen, ein (Groß-)Teil der Leser stammt aber vermutlich nicht aus der Landwirtschaft, und Aufklärung ist der Autorin ein großes Anliegen. Ihr hoher Bekanntheitsgrad ist wohl auch der feinfühligen visuellen Aufbereitung geschuldet, mit der sie in den sozialen Medien das Leben am Hof dokumentiert. 55 farbige Bilder finden sich auch im Buch.
Ihr Herz schlägt für unwirtschaftliche Tiere
Ein weiteres, erst in den Startlöchern stehendes und aus bäuerlicher Sicht wohl das kontroverseste Projekt der Wahlkärntnerin ist der sogenannte „Lebenshof Chickago Care“, bei dem in Form von zeitlich begrenzten Patenschaften unter dem Motto „Pension statt Pfanne“ ehemaligen Nutztieren oder solchen, die es nie werden konnten, durch Spenden ein Lebensabend ermöglicht wird. Das Projekt findet in der Followerschaft der Autorin großen Anklang.
Zeit für Umbruch
Auf die Frage hin, ob die Gründung des Patenschaftsmodells ein Plan B für einen Ausstieg aus der Milchproduktion sei, verweist Becker darauf, dass ein Milchbetrieb ihrer Größenordnung aktuell aufgrund der Milchpreise und der hohen Energie- und Futterkosten ohne zusätzliche Spezialisierung nicht zukunftstauglich sei. Vor einigen Wochen kündigte Becker zudem auf Instagram überraschend an, den Hof in Mörtschach verlassen zu müssen. Zusammen mit ihrem Partner und den Tieren ist sie nun auf der Suche nach einem neuen Hof. Aus Beckers Andeutungen geht hervor, dass die geplante Hofübergabe an einem Generationenkonflikt scheitern dürfte. Becker beobachtet auch durch die vielen Nachrichten, die sie von anderen Betroffenen erhält, ein ähnliches Muster: „Wachse in die althergebrachten Prinzipien und Vorstellungen der vorherigen Generation hinein — oder weiche“. Der Zeitpunkt zu gehen sei für das junge Paar nun unaufschiebbar, schreibt Becker. Dass es auch auf unkonventionellem Weg gehen kann, dafür ist ihr Werdegang bisher wohl der beste Beweis.
Fotos: Lukas Schrall, Marie-Theres Sauer, Piper Verlag GmbH