Dr. Stefan Fenz befasst sich am Institut für „Information Systems Engineering“ der Technischen Universität Wien mit KI-Anwendungen in der Landwirtschaft.

„Ein unvorstellbar breites Feld“

Aktuell Interviews

Wel­che Chan­cen Künst­li­che Intel­li­genz (KI) für die Land­wirt­schaft bereit­hält, wel­che Risi­ken sie birgt und war­um man kei­ne Angst vor neu­en Tech­no­lo­gien haben soll­te. Ein Gespräch mit Ste­fan Fenz.

Pro­Hekt­ar: War­um befasst sich ein Infor­ma­ti­ker wie Sie mit KI in der Land­wirt­schaft? Fenz: Weil im Agrar­sek­tor die Ver­füg­bar­keit von Maschinen‑, Wet­ter- und Wachs­tums­da­ten ste­tig zunimmt. Es wird auch mehr und mehr auto­ma­ti­siert, damit wächst der Daten­pool wei­ter. Somit bie­tet es sich natür­lich an, die­se zu ver­knüp­fen und zu schau­en, ob man dar­aus neue Erkennt­nis­se gewin­nen oder damit Ent­schei­dun­gen unter­stüt­zen kann, damit Land­wir­te die­se für sie nutz­brin­gend ein­set­zen kön­nen.

Wor­an arbei­ten Sie kon­kret? In einem Pro­jekt haben wir anhand von Satel­li­ten­da­ten ver­sucht fest­zu­stel­len, wel­che Kul­tu­ren auf ein­zel­nen Schlä­gen wach­sen und KI-basiert Vor­frucht­wer­te für Frucht­fol­ge­pla­nun­gen ermit­telt. Statt sol­che Vor­frucht­wer­te und Frucht­fol­ge­ma­tri­zen durch auf­wän­di­ge Lang­zeit­un­ter­su­chun­gen zu eru­ie­ren ist es uns gelun­gen, auf Basis zehn­tau­sen­der Daten­punk­te von Bede­ckungs­gra­den und Regres­si­ons­mo­del­len die Ergeb­nis­se deut­lich schnel­ler zu erzie­len.

Wie steht es um den Daten­schutz? In der Agrar­bran­che ist die Daten­ge­ne­rie­rung sehr pro­dukt­ge­trie­ben. Wie also die pro­du­zier­ten Daten ver­wer­tet wer­den, soll­te in den Nut­zungs­be­din­gun­gen der jewei­li­gen Appli­ka­ti­on klar ersicht­lich sein. In den sel­tens­ten Fäl­len wird der Land­wirt selbst „sei­ne“ Daten am eige­nen Rech­ner nut­zen kön­nen. Dem Zugriff durch den oder die Her­stel­ler stimmt er als Käu­fer von Maschi­nen und Sys­te­men aller­dings durch Akzep­tie­ren der Nut­zungs­be­din­gun­gen zu.

Wie wer­den Daten etwa von den Land­tech­nik­her­stel­lern ver­wen­det? Die Daten von den Maschi­nen und Fel­dern kön­nen zum Trai­nie­ren von Model­len ver­wen­det wer­den, auch um die­se zu kom­mer­zia­li­sie­ren.

Also gilt es beim Kauf einer Neu­ma­schi­ne genau­er hin­zu­schau­en, was mit den eige­nen Daten pas­siert? Ja. Aber auch die bäu­er­li­che Inter­es­sen­ver­tre­tung ist gefor­dert, hier bera­tend zur Ver­fü­gung zu ste­hen. Ein „Güte­sie­gel“ für die ver­schie­de­nen Fabri­ka­te wäre als Ent­schei­dungs­hil­fe sicher sinn­voll.

Das „Inter­net of Things“ als Basis für die Daten­samm­lung wird längst stan­dard­mä­ßig etwa auf Trak­to­ren ver­baut, rich­tig? Kor­rekt. Um etwa Sen­sor­da­ten zu erhal­ten, die man für KI benö­tigt, die wie­der­um für Ent­schei­dungs­pro­zes­se Unter­stüt­zung gibt.

Wel­che wei­te­ren Anwen­dun­gen von KI in der Land­wirt­schaft gibt es noch? Vie­le. Oft merkt man es im All­tag gar nicht. Wir an der TU haben KI eben ein­ge­setzt, um im Ver­gleich von Ver­träg­lich­keit der Kul­tu­ren, Markt­prei­sen und Nähr­stoff­be­darf Erfolg ver­spre­chen­de Frucht­fol­gen zu gene­rie­ren. KI kann auch mit bild­ge­ben­den Werk­zeu­gen fest­stel­len, ob bei Milch­kü­hen Lahm­hei­ten vor­lie­gen. Auch das Kli­ma in Gewächs­häu­sern kann anhand von Außen­wet­ter­da­ten mit KI pro­gnos­ti­ziert wer­den, um dar­aus Bewäs­se­rungs- und Belüf­tungs­maß­nah­men abzu­lei­ten. Am Acker ermög­licht KI geziel­te Pflan­zen­schutz­maß­nah­men, künf­tig auch per Droh­ne. Und natür­lich spielt KI in selbst­fah­ren­den Trak­to­ren eine wesent­li­che Rol­le. Sie sehen, das Feld der Künst­li­chen Intel­li­genz ist gera­de in der Land­wirt­schaft unvor­stell­bar breit.

Wird KI eines Tages auch hier­zu­lan­de die „Bau­ern aus Fleisch und Blut“ obso­let machen? Das abzu­schät­zen, maße ich mir nicht an. KI kann dem Land­wirt das Leben deut­lich erleich­tern, unter­stüt­zen, Ent­schei­dun­gen auf­be­rei­ten und zum Teil Arbei­ten auto­ma­ti­sie­ren.

Ist KI nur etwas für gro­ße Betrie­be? Nicht jeder hat alle Maschi­nen selbst auf sei­nem Hof. KI wird über die Maschi­nen- und Soft­ware­her­stel­ler in die Brei­te gehen, auch durch Upgrades, und hel­fen, dass die Arbeit effi­zi­en­ter wird, leich­ter von der Hand geht.

Stich­wort „Chat­bot“, also Com­pu­ter­pro­gram­me, die KI und natür­li­che Sprach­ver­ar­bei­tung nut­zen, um auto­ma­ti­sier­te Fra­gen zu geben. Den­ken Sie, die­se wer­den auch in der land­wirt­schaft­li­chen Aus­bil­dung oder im Bera­tungs­we­sen zum Ein­satz kom­men? In der Aus­bil­dung kön­nen sie sicher eine Rol­le spie­len, aber den phy­si­schen Bera­ter kön­nen sie wohl nicht so schnell erset­zen. Gera­de in der Land­wirt­schaft gilt es oft sehr spe­zi­fi­sche Fra­gen zu klä­ren, die auch von regio­na­len Gege­ben­hei­ten abhän­gen. Das Man­ko vie­ler Chat­bots ist auch, dass man zwar bin­nen kür­zes­ter Zeit Infos erhält, sofern man rich­tig fragt. Ein „Chat­bot“ sagt aber nur äußerst sel­ten „Das weiß ich nicht“, son­dern füllt Fak­ten auf und gibt selbst­be­wuss­te Ant­wor­ten. Da ist Vor­sicht gebo­ten, es braucht stets eine Vali­die­rung.

Wo kann ein „Chat­bot“ Bau­ern heu­te schon hel­fen? Bei gene­ri­schen Tex­ten zum Bei­spiel. Wer etwa eine Web­site für sei­nen Ab-Hof-Ver­kauf ein­rich­tet, kann Bebil­de­rung und Tex­te per KI gene­rie­ren las­sen, statt Bild­ma­te­ri­al zu kau­fen und selbst zu schrei­ben.

Hat KI auch Nach­tei­le für die Bau­ern? Die Risi­ken mit KI sind für Land­wir­te die­sel­ben wie in ande­ren Bran­chen. Es braucht stets die eige­ne Exper­ti­se, um KI-gestütz­te Ent­schei­dun­gen zu hin­ter­fra­gen. Blin­des Ver­trau­en ist hier sehr ris­kant. KI ist ein Werk­zeug, das mal bes­ser, mal schlech­ter funk­tio­niert und sich noch ein­spie­len wird. Wir müs­sen erst ler­nen, wie man sie am Hof ein­setzt. Lang­fris­tig wird sie eine wesent­li­che Unter­stüt­zung sein.

KI wird also hel­fen, Zeit und Betriebs­mit­tel in der Land­wirt­schaft ein­zu­spa­ren. Wann wird das im bäu­er­li­chen All­tag spür­bar sein? Zeit­lich ist das schwer abseh­bar, auch Model­le wie ChatGPT gibt es ja schon seit eini­gen Jah­ren. Es wird wohl ein kon­ti­nu­ier­li­cher Pro­zess wer­den.

Was raten Sie jenen, die sich vor die­ser neu­en Tech­ni­sie­rungs­wel­le fürch­ten? Kei­ne Angst vor der Nut­zung haben und es ein­fach mal aus­pro­bie­ren. Die Soft­ware­an­bie­ter machen es bewusst ein­fach, an die neu­en Tools her­an­zu­kom­men. Ich rate jedem, mit KI zu expe­ri­men­tie­ren und die Ergeb­nis­se auch kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Auf Feh­ler kann man LLMs durch­aus auch hin­wei­sen. Also nicht gleich auf­ge­ben. Eine Mög­lich­keit zum inten­si­ve­ren Aus­tausch wird es von 22. bis 24. Novem­ber am „Pan­ora­ma Fes­ti­val“ in Linz geben. Wir wer­den dort unter dem Slo­gan „G’scheit, Digi­tal und Kli­ma­neu­tral in Land‑, Forst- und Ener­gie­wirt­schaft“ über die Anwen­dungs­be­rei­che der KI infor­mie­ren.

Foto: Cle­mens Wieltsch/ProHektar

Tagged