Das E‑Auto als Strom­spei­cher nut­zen. Klingt bestechend. Vor allem, wer eine eige­ne Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge plant oder bereits instal­liert hat.

Statt die Über­schüs­se zu nied­ri­gen Tari­fen in das Netz ein­zu­spei­sen, liegt es nahe, mit einem Strom­spei­cher die Eigen­ver­sor­gung zu ver­bes­sern. Anschaf­fungs­prei­se sta­tio­nä­rer Akkus von 800 bis 1.000 Euro je Kilo­watt­stun­de machen jedoch eine genaue Kal­ku­la­ti­on erfor­der­lich. Da liegt es nahe, statt eines sta­tio­nä­ren Spei­chers gleich den Akku eines E‑Autos zur Strom­ver­sor­gung in son­nen­frei­en Stun­den zu ver­wen­den (oder gar einen Strom­aus­fall damit zu über­brü­cken).

Bidirektionales Laden

Jedoch steckt die Tücke im Detail. Denn wer den Akku im E‑Auto zur Strom­ver­sor­gung für Haus­halt oder Betrieb nut­zen möch­te, braucht im Auto selbst und auch in der Wall­box eine eige­ne tech­ni­sche Aus­stat­tung, die soge­nann­tes bidi­rek­tio­na­les Laden (BiDi) ermög­licht. Zwar kön­nen Auto-Akkus (wie jeder ande­re Akku) elek­tri­schen Strom laden und abge­ben. Bei der Rück­spei­sung des gela­de­nen Stroms ins Netz muss die­ser wie­der von Gleich­strom (DC) in Wech­sel­strom (AC) rück­ge­wan­delt wer­den. Der erfor­der­li­che Wech­sel­rich­ter muss im E‑Auto selbst oder in der Wall­box mit BiDi-Funk­ti­on ver­baut sein.

V2L, V2H und V2G und Steckertypen

Beim bidi­rek­tio­na­len Laden gibt es ver­schie­de­ne Vari­an­ten. Die drei wich­tigs­ten sind:

  • Vehic­le-to-load (V2L), auch als Vehic­le-to-Device (V2D) bezeich­net,
  • Vehic­le-to-Home (V2H) und
  • Vehic­le-to-Grid (V2G).

Die V2L-Rück­spei­sung ist die ein­fachs­te Vari­an­te. Hier befin­det sich der Wech­sel­rich­ter samt SCHu­Ko-Steck­do­se im Auto. Elek­tro­ni­sche Gerä­te las­sen sich direkt anschlie­ßen; eine prak­ti­sche, meist aller­dings auf Klein­ge­rä­te aus­ge­rich­te­te 240-V-Lösung. V2L eig­net sich, wenn man eine mobi­le Strom­quel­le benö­tigt, etwa um Werk­zeu­ge zu betrei­ben oder zu laden oder für Cam­ping­zwe­cke. E‑Autos wie der Hyun­dai Ioniq, der Kia Niro und MG bie­ten die V2L-Option.Bei der V2H-Vari­an­te kann der Akku des E‑Autos das Strom­netz des Hau­ses ver­sor­gen. Dazu wird er an eine haus­ei­ge­ne BiDi-Wall­box ange­schlos­sen. Bei Strom­über­schuss wird der Akku gela­den, bei Man­gel der zuvor gela­de­ne Strom zum Eigen­ver­brauch abge­ge­ben. Bei der tech­ni­schen Umset­zung haben sich euro­päi­sche Auto­her­stel­ler auf das CCS-Mode-4-Lade­sys­tem ver­stän­digt, zum Ein­satz kommt der CCS-Ste­cker, bei Mar­ken aus Asi­en (Hon­da, Kia, Nis­san, Maz­da) das CHA­de­MO-Sys­tem. Bei­de Sys­te­me spei­sen Gleich­strom aus, was einen exter­nen Wech­sel­rich­ter erfor­dert.

Am anspruchs­volls­ten ist die V2G-Rück­spei­sung. Hier wird das E‑Auto Teil des Ver­sor­gungs­net­zes. Die Idee dahin­ter: Mit­tels einer hohen Anzahl intel­li­gent gesteu­er­ter Akkus ein “vir­tu­el­les Kraft­werk” zu bil­den, um so zur Sta­bi­li­sie­rung der Ener­gie­ver­sor­gung in Bedarfs­spit­zen bei­zu­tra­gen. Noch ist V2G Zukunfts­mu­sik mit noch offe­nen tech­ni­schen und admi­nis­trai­ven Fra­gen rund um Abrech­nung, Besteue­rung, Haf­tung.

BiDi-Wallbox kostet extra

Wer bidi­rek­tio­na­les Laden umset­zen will, muss sich über die Kos­ten der Infra­struk­tur Gedan­ken machen. Um Lade- und Ent­nah­me­vor­gän­ge mit dem Eigen­ver­brauch zu koor­di­nie­ren, bedarf es neben der bidi­rek­tio­na­len Wall­box auch eines Ener­gie­ma­nage­ment­sys­tems. Laut dem deut­schen Auto­mo­bil­club ADAC betra­gen die Mehr­kos­ten für Bidi­rek­tio­nal im Ver­gleich zu unge­steu­er­tem Direkt­la­den zwi­schen 2.700 und 5.800 Euro (der Löwen­an­teil ent­fällt auf die Wall­box). Hie­für gibt es der­zeit noch weni­ge Anbie­ter am Markt. Immer­hin: Die ADAC-Fach­leu­te hal­ten eine Hal­bie­rung der Mehr­kos­ten bis 2030 für mög­lich. Wei­te­re Kos­ten­ein­spa­run­gen wären mög­lich, wenn die DC-Wall­box des E‑Autos auch den Wech­sel­rich­ter der PV-Anla­ge zur Rück­spei­sung ver­wen­den könn­te. Dafür geeig­ne­te Wech­sel­rich­ter gibt es aller­dings noch nicht.

Ein wei­te­res Han­di­cap kann die Lade- oder Ent­la­de­steue­rung des E‑Autos sein. So begrenzt VW die BiDi-Funk­ti­on auf Lade­stän­de des Akkus zwi­schen 20 und 80 Pro­zent. Zudem ist die Funk­ti­on auf maxi­mal 4.000 Stun­den oder 10.000 kWh begrenzt. Das hängt ver­mut­lich mit der Bat­te­rie-Garan­tie zusam­men. Zu beden­ken ist auch, dass für eine ren­ta­ble BiDi-Nut­zung das E‑Auto tags­über (Lade­zeit) und zu den Bedarfs­spit­zen mög­lichst lan­ge am Heim­netz hän­gen soll­te. Hohe Kos­ten und Ein­schrän­kun­gen beim Betrieb erfor­dern dem­nach eine genaue Bedarfs­prü­fung und Kal­ku­la­ti­on.

Notstrom besser aus Second-Life-Akkus

Land­wirt­schaft­li­che Betrie­be, die etwa für Lüf­tungs­not­fäl­le oder für den Spit­zen­be­darf zu Melk­zei­ten eine Not­strom­vor­rich­tung benö­ti­gen, dürf­ten aktu­ell mit sta­tio­nä­ren Spei­cher­lö­sun­gen bes­ser bera­ten sein. Hier gilt es, die Akku­ka­pa­zi­tät genau mit dem Bedarf abzu­stim­men. Es gibt aber schon sta­tio­nä­re Spei­cher­lö­sun­gen, die durch die Ver­wen­dung von Aus­schuss­zel­len aus der Auto­pro­duk­ti­on oder von Alt-Akkus aus E‑Autos (“Second Life”) bei bedarfs­ge­rech­ter Dimen­sio­nie­rung auch kos­ten­güns­tig sind. Die Second-Life-Sze­ne befin­det sich nach der erst kürz­lich beschlos­se­nen EU-Bat­te­rien­ver­ord­nung der­zeit in einem rasan­ten Auf­bau, ers­te Lösun­gen sind in Deutsch­land bereits am Markt erhält­lich.

ModellSte­ckerAC / DCBiDi-Vari­an­te
Nis­san LeafCHA­de­MODCV2H / V2G
(vor­be­rei­tet)
Mitsu­bi­shi iMIEVCHA­de­MODCV2H / V2G
(vor­be­rei­tet)
Hyun­dai Ioniq 5 / 6SCHu­KoAC (1‑phasig)V2L
Kia EV6 / Niro EVSCHu­KoAC (1‑phasig)V2L
MG 4 / 5 / Mar­velSCHu­KoAC (1‑phasig)V2L
Sko­da Enyaq (mit 77 kWh)CCSDCV2H / V2G
(vor­be­rei­tet)
Vol­vo EX90Schu­ko / Typ 2 / CCSAC (1/3‑phasig) / DCV2L / V2H/V2G
(vor­be­rei­tet)
VW ID.3, ID.4, ID.5, ID
Buzz (mit 77 kWh)
CSSDCV2H / V2G
(vor­be­rei­tet)
Pole­star 3Schu­ko / Typ 2 / CCSAC (1/3‑phasig) / DCV2L / V2H / V2G
(vor­be­rei­tet)
*) Aus­wahl, Stand Mai 2023, Quel­le ADAC

Illus­tra­ti­on: peto­var­ga — stock.adobe.com; Fotos: Hyun­dai, Kia, Pole­star

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