Entlang der Weinstraßen genießt man frisch gebratene Kastanien.

Kastanien, Sturm und noch viel mehr

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Unter Öster­reichs Bun­des­län­dern gilt die Stei­er­mark als das „Edel­kas­ta­ni­en­land“. Unter den Obst­kul­tu­ren gilt die­se Kas­ta­nie als Erfolg ver­spre­chen­de Nische.

Die aktu­el­len Zah­len im AMA-Flä­chen­aus­wer­tungs­tool über­ra­schen, denn bei den Obst­sor­ten ran­giert die Edel­kas­ta­nie in der Stei­er­mark bereits an sechs­ter Stel­le. Auf 132 Hekt­ar wird die Edel­kas­ta­nie in dafür geeig­ne­ten Lagen als Obst­kul­tur bewirt­schaf­tet. Damit gilt die Stei­er­mark unter Öster­reichs Bun­des­län­dern als „Edel­kas­ta­ni­en­land Num­mer eins“. Die rest­li­chen Kas­ta­ni­en­kul­tu­ren im Aus­maß von 39 Hekt­ar ver­tei­len sich auf die Bun­des­län­der Nie­der­ös­ter­reich, Ober­ös­ter­reich, Bur­gen­land und Kärn­ten. „Es wer­den sicher noch mehr Kas­ta­ni­en­kul­tu­ren wer­den“, ist Johan­nes Schantl, Obmann der ARGE Zukunft Edel­kas­ta­nie, über­zeugt. „Vor allem in der Süd­stei­er­mark gibt es vie­le Flä­chen, die sich dafür anbie­ten. Sie dro­hen auf­grund der feh­len­den Tier­hal­tung zu ver­bu­schen bezie­hungs­wei­se zu ver­wal­den und sind für ande­re Kul­tu­ren schlecht nutz­bar.“

Die Edel­kas­ta­nie bevor­zugt näm­lich Gebie­te mit hei­ßem bis gemä­ßig­tem Kli­ma. Die Stand­ort­an­sprü­che sind hoch. Sie benö­tigt einen sau­ren, nähr­stoff­rei­chen und tief­grün­di­gen Unter­grund. Einen kalk­hal­ti­gen Boden ver­trägt sie eben­so wenig wie stau­nas­sen Stand­ort. Die Haupt­sor­te in der Stei­er­mark heißt „Ecker“, dane­ben wer­den ver­mehrt Hybri­de aus euro­päi­scher und japa­ni­scher Kas­ta­nie wie etwa die Sor­te „Bou­che de Betizac“ gepflanzt.

„In der Stei­er­mark wur­den die ers­te Edel­kas­ta­ni­en-Kul­tu­ren vor etwa 40 Jah­ren ange­legt. Sie sind durch­wegs Hoch­stamm-Anla­gen. Seit etwa fünf Jah­ren pro­biert die Obst- und Wein­bau­fach­schu­le Sil­ber­berg sehr erfolg­reich Dicht­pflan­zun­gen mit moder­nen Kro­nen­for­men. Sol­che Spa­lie­re haben auch den Vor­teil, dass die Bäu­me schon nach drei Jah­ren die ers­ten Erträ­ge brin­gen“, berich­tet Schantl. „Unser Ziel ist es, eine Ern­te­men­ge von 4.000 bis 5.000 Kilo pro Hekt­ar zu errei­chen.“

Der Markt könn­te sol­che Men­gen gut ver­tra­gen. Der Selbst­ver­sor­gungs­grad bei Edel­kas­ta­ni­en liegt in Öster­reich bei weni­ger als zehn Pro­zent, der durch­schnitt­li­che Jah­res­ver­brauch pro Ein­woh­ner bei 350 Gramm. In Euro­pa zäh­len Spa­ni­en, Ita­li­en, Por­tu­gal und Grie­chen­land zu den größ­ten Kas­ta­ni­en-Pro­du­zen­ten. Welt­weit liegt aber Chi­na unan­ge­foch­ten an der Spit­ze. 2021 wur­den in Chi­na 1.703.000 Ton­nen Kas­ta­ni­en geern­tet. In Spa­ni­en waren es 92.700 Ton­nen.

In Öster­reich ste­cken die Bemü­hun­gen um den Auf­bau geeig­ne­ter Ver­triebs­we­ge erst am Beginn. Die mög­li­chen Ein­sät­ze von Kas­ta­ni­en in der Küche sind aber sehr groß und beschrän­ken sich nicht nur auf Süß­spei­sen. „Laut neu­es­ten For­schungs­er­geb­nis­sen ist auch der Ersatz von Wei­zen­mehl durch Kas­ta­ni­en­mehl gut vor­stell­bar“, lässt Schantl wis­sen und bezeich­net die Edel­kas­ta­nie als „Super­food“. Sie wei­se einen hohen Gehalt an Koh­le­hy­dra­ten in Form leicht lös­li­cher Zucker­ar­ten auf. Der Eiweiß‑, Fett- und Mine­ral­stoff­ge­halt glei­che dem von Getrei­de. Der Gehalt an Fol­säu­re, Vit­ami­nen, Kali­um und ande­ren Spu­ren­ele­men­ten mache sie zu einem hoch­wer­ti­gen Lebens­mit­tel.

Johan­nes Schantl, Obmann der ARGE Zukunft Edel­kas­ta­nie.

Sogar in der Medi­zin fin­de die Kas­ta­nie Anwen­dung. Das getrock­ne­te Kas­ta­ni­en­blatt wer­de bei Atem­wegs­er­kran­kun­gen ein­ge­setzt. Auch sei die Kas­ta­ni­en­rin­de auf­grund ihres Gerb­stoff­reich­tums bei Durch­fall­erkran­kun­gen hilf­reich. Auch in der Natur­kos­me­tik und Bach­blü­ten­the­ra­pie gebe es vie­le Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten.

„Laut neuesten Forschungsergebnissen ist auch der Ersatz von Weizenmehl durch Kastanienmehl gut vorstellbar.“ Johannes Schantl

Der Kli­ma­wan­del macht aller­dings auch den Kas­ta­ni­en­bau­ern Sor­gen. Die meis­te Gefahr droht vom Kas­ta­ni­en­rin­den­krebs. Die­se Pilz­er­kran­kung, die Kam­bri­um und Bast betrifft, führt vor­erst zu Wel­ke-Erschei­nun­gen und anschlie­ßend zum Abster­ben ein­zel­ner Äste oder Stamm­tei­le. Aus­gangs­punkt sind meist Frost­ris­se, die ent­ste­hen, wenn es nach mil­den Win­ter­mo­na­ten zu Spät­frös­ten kommt. Seit eini­gen Jah­ren las­sen zwei wei­te­re Pilz­er­kran­kun­gen die Alarm­glo­cken bei den Kas­ta­ni­en-Pro­du­zen­ten schril­len: die soge­nann­te Tin­ten­krank­heit und die Grau­fäu­le. Das Schwie­ri­ge am Grau­fäu­le-Pilz ist, dass der Befall erst nach dem Öff­nen der Kas­ta­ni­en fest­stell­bar ist.

Die gute Nach­richt ist, dass man die vor zehn Jah­ren aus Asi­en ein­ge­schlepp­te Gall­wes­pe, die ihre Eier in den Knos­pen ablegt, mitt­ler­wei­le gut im Griff hat. Eine zu ihrer Bekämp­fung ein­ge­setz­te ant­ago­nis­ti­sche Schlupf­wes­pen­art hat sich in Öster­reich eta­bliert.

Fotos: ARGE Zukunft Edel­kas­ta­nie (4), ProHektar/Brodschneider

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